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Wütender Chef

Abmahnung im Arbeitsrecht

Abmahnung Gründe und Widerspruch

  • 27.09.2023
  • Volker Bellaire

Wie beim Fußball ist die Abmahnung im Arbeitsrecht die „gelbe Karte“. Sie bedeutet meist die Vorstufe zur Kündigung und wird bei Pflichtverstößen des Arbeitnehmers erteilt.

Welchen Zweck hat eine Abmahnung?

Mit der Abmahnung weist der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nachdrücklich darauf hin, dass er ein bestimmtes Verhalten beanstandet. Es gilt dem Arbeitnehmer klarzumachen, dass das Arbeitsverhältnis gefährdet ist, wenn er sein beanstandetes Verhalten nicht ändert. Ändert der Arbeitnehmer sein Verhalten nicht, riskiert er die verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitgebers.

Was ist der Unterschied zur Ermahnung?

Nicht jeder Fehltritt des Arbeitnehmers rechtfertigt eine sofortige Abmahnung. Die Vorstufe zur Abmahnung ist die Ermahnung. Mit der Ermahnung macht der Arbeitgeber deutlich, dass er ein bestimmtes Verhalten seines Arbeitnehmers missbilligt, dieses Fehlverhalten aber nicht als so schwerwiegend betrachtet, dass er gleich eine Abmahnung ausspricht. Der Arbeitgeber ist schlicht unzufrieden und bringt diese Unzufriedenheit zum Ausdruck. Die bloße Ermahnung hat keine rechtlichen Konsequenzen und rechtfertigt im Wiederholungsfall keine Kündigung.

Welche Funktion erfüllt eine Abmahnung?

  • Dokumentationsfunktion: Mit der Abmahnung stellt der Arbeitgeber objektiv und möglichst wertungsfrei fest, dass der Arbeitnehmer ein Verhalten gezeigt hat, das einen Pflichtverstoß darstellt.
  • Hinweisfunktion: Der Arbeitgeber bringt zum Ausdruck, dass er ein bestimmtes Verhalten des Arbeitnehmers, das er in der Abmahnung konkret bezeichnet hat, nicht akzeptiert.
  • Warn- und Androhungsfunktion: Der Arbeitgeber droht dem Arbeitnehmer die Kündigung an, wenn der Arbeitnehmer das beanstandete Verhalten fortsetzt oder wiederholt und damit konkret gegen das gerügte Verhalten verstößt.

Wie muss eine Abmahnung formuliert sein?

Eine Abmahnung darf nicht pauschal formuliert sein. Das Fehlverhalten des Arbeitnehmers muss konkret benannt werden. Der Arbeitgeber muss genau bezeichnen, warum das beanstandete Verhalten des Arbeitnehmers einen Pflichtverstoß darstellt. Allgemeine Hinweise, beispielsweise auf Verschwiegenheitspflichten oder das Anstandsgefühl, genügen dafür nicht. Dem Arbeitnehmer muss klar vor Augen geführt werden, dass sein Verhalten nicht akzeptiert wird und er im Wiederholungsfall gekündigt wird.

Eine optimale Abmahnung hat vier Bestandteile:

  • Das beanstandete Verhalten muss konkret bezeichnet werden. Beispiel: Sie sind am Mittwoch, 22. März 2023, um 9:00 Uhr und damit 60 Minuten zu spät am Arbeitsplatz erschienen.
  • Rüge der Pflichtverletzung: Beispiel: Sie haben damit gegen § 3 Ihres Arbeitsvertrages verstoßen, wonach Sie verpflichtet sind, pünktlich um 8:00 Uhr zur Arbeit zu erscheinen.
  • Nachdrückliche Aufforderung, sich künftig vertragstreu zu verhalten Beispiel: Wir erwarten, dass Sie Ihre Arbeitszeit pünktlich einhalten und jedes unentschuldigte Zuspätkommen unterlassen.
  • Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen im Wiederholungsfall: Beispiel: Sollten Sie erneut zu spät kommen, behalten wir uns arbeitsrechtliche Maßnahmen vor, die letztlich zur fristlosen Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses führen können.

Gründe für eine Abmahnung

Als Grund für eine Abmahnung kommt jedes Verhalten des Arbeitnehmers in Betracht, das außerhalb dessen liegt, was der Arbeitgeber von einem vernünftigen Arbeitnehmer berechtigterweise erwarten darf.

  • Beleidigungen (Aktuell: In privaten Chat-Gruppen rechtfertigten wegen des beschränkten Nutzerkreises selbst schwere Beleidigungen und üble Hetze bislang keine Abmahnung. Das Bundesarbeitsgericht hat nun klargestellt, dass sich Arbeitnehmer nicht mehr ohne weiteres darauf verlassen können, dass die Kommunikation im privaten Chat-Gruppen wie z.B. bei WhatsApp vertraulich ist.)
  • Alkoholkonsum im Betrieb
  • Compliance-Verstöße
  • Diebstahl
  • Unentschuldigtes Fernbleiben
  • Krankfeiern
  • Mobbing
  • Unerlaubte Nebentätigkeit
  • Sexuelle Belästigung
  • Eigenmächtiger Urlaubsantritt
  • Wiederholtes Zuspätkommen

Geringfügige Verstöße, wie unbedachte Äußerungen, entschuldbare Nachlässigkeiten, stressbedingtes Verhalten oder menschlich nachvollziehbare Reaktionen, sind in der Regel keine Gründe für eine Abmahnung.

Wiederholte Abmahnungen: Spricht der Arbeitgeber wegen des gleichen oder ähnlichen Verhaltens immer wieder eine neue Abmahnung aus, riskiert er, dass die Warnfunktion der Abmahnung entwertet wird und im Wiederholungsfall eine Kündigung nicht mehr in Betracht kommt. Ob letztlich eine Abmahnung gerechtfertigt ist oder nicht, entscheiden die Arbeitsgerichte nach Abwägung der Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer im konkreten Einzelfall.

In welcher Form sollte die Abmahnung erfolgen?

Abmahnungen sind nicht formgebunden. Sie können auch mündlich erteilt werden. Um im Wiederholungsfall den Nachweis zu führen, dass abgemahnt wurde und Unklarheiten hinsichtlich des Inhalts einer Abmahnung von vornherein auszuschließen, wird die Abmahnung meist schriftlich erteilt und in der Personalakte aufbewahrt.

Wann Kündigung ohne vorherige Abmahnung?

Mit der Abmahnung gibt der Arbeitgeber zu erkennen, dass der beanstandete Pflichtverstoß nicht so schwerwiegend ist, dass er die sofortige und fristlose Kündigung des Arbeitnehmers rechtfertigt. Ist der Pflichtverstoß aber so schwerwiegend, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist, kann er ohne vorherige Abmahnung die sofortige Kündigung aussprechen. Deshalb kann eine Abmahnung entbehrlich sein, …

  • wenn nicht zu erwarten ist, dass der Arbeitnehmer sein Verhalten in der Zukunft ändert (z.B. fortlaufende Beleidigungen der Kollegen aus Frust, Neid, Missgunst, Intrigen) oder
  • wenn dem Arbeitnehmer bewusst sein musste, dass sein Pflichtverstoß zur sofortigen Kündigung führen wird (z.B. Annahme von Geschenken durch Kunden in Kenntnis der Compliance-Richtlinien im Betrieb) oder
  • wenn das Fehlverhalten das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber so sehr erschüttert, dass es auch durch eine Abmahnung nicht wieder hergestellt werden kann (z.B. schwerer Diebstahl).

Passend dazu:

Welche Fristen gelten für Abmahnungen?

Die Abmahnung ist an sich nicht fristgebunden, sollte aber unmittelbar erteilt werden, sobald das beanstandete Verhalten festgestellt wird. Je länger zugewartet wird, umso mehr gibt der Arbeitgeber zu erkennen, dass er den vermeintlichen Pflichtverstoß nicht wirklich ernst nimmt.

Wurde die Abmahnung erteilt, kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer allein wegen des abgemahnten Sachverhalts nicht mehr kündigen. Mit der Abmahnung verzichtet er vorerst auf sein Kündigungsrecht. Die Kündigung kommt nur im Wiederholungsfall in Betracht.

Ansonsten entwertet sich die Abmahnung mit dem Zeitverlauf. Sie dürfte ihre Wirkung verlieren, wenn der Arbeitnehmer nach zwei bis drei Jahren erneut das beanstandete Fehlverhalten zeigt und das ursprünglich beanstandete Verhalten mehr oder weniger in Vergessenheit geraten ist. Dabei spielt auch die Schwere des Pflichtverstoßes eine Rolle.

Wie kann sich der Arbeitnehmer gegen eine Abmahnung wehren?

Die Abmahnung ist für den Arbeitnehmer immer riskant. Sie steht in der Personalakte und trägt immer das Risiko einer Kündigung in sich. Auf eine Abmahnung hin hat der Arbeitnehmer folgende Reaktionsmöglichkeiten:

  • Abmahnung akzeptieren: Der Arbeitnehmer kann es bei der Abmahnung belassen. Erfolgt dann doch die Kündigung, kann er Kündigungsschutzklage erheben und vor dem Arbeitsgericht vortragen, dass die frühere Abmahnung zu Unrecht erfolgt und die Kündigung insoweit nicht gerechtfertigt sei.
  • Der Abmahnung widersprechen: Ist der Arbeitnehmer mit der Abmahnung nicht einverstanden, kann er den Arbeitgeber in einem persönlichen Gespräch oder schriftlich auffordern, die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen. Arbeitnehmer haben das Recht, in betrieblichen Angelegenheiten, die ihre Person betreffen, vom Arbeitgeber gehört zu werden und zu den betreffenden Angelegenheiten Stellung zu nehmen.
  • Akteneinsicht anfordern: Der Arbeitnehmer hat das Recht, zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts in die über ihn geführten Personalakten Einsicht zu nehmen. Er kann hierzu ein Mitglied des Betriebsrats hinzuziehen.
  • Gegendarstellung einreichen: Will der Arbeitnehmer die Abmahnung nicht akzeptieren, kann er eine Gegenvorstellung formulieren und den Arbeitgeber auffordern, seine Erklärung in die Personalakte aufzunehmen.
  • Beschwerde einreichen: Der Arbeitnehmer kann sich beim Betriebsrat beschweren und vortragen, dass er sich vom Arbeitgeber ungerecht behandelt fühlt. Zur Unterstützung kann er ein Mitglied des Betriebsrats hinzuziehen. Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer zu informieren, ob er die Beschwerde für berechtigt hält oder nicht. Beschwert sich der Arbeitnehmer, dürfen ihm daraus keine Nachteile entstehen. Hält der Betriebsrat die Beschwerde für berechtigt, kann er beim Arbeitgeber auf Abhilfe hinwirken. Bei Meinungsverschiedenheiten kann der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen.
  • Gegen Abmahnung klagen: Der Arbeitnehmer kann vor dem Arbeitsgericht klagen, dass die Abmahnung gelöscht und aus der Personalakte entfernt wird. Voraussetzung ist, die Abmahnung ungerechtfertigt ist. Ein Anspruch auf Löschung besteht zudem, wenn der Arbeitgeber wegen des Zeitverlaufs keinerlei berechtigtes Interesse mehr daran geltend machen kann, dass die Abmahnung in der Personalakte verbleibt.

Häufige Mythen rund um die Abmahnung

Wiederholte Abmahnungen gleich Kündigung

Mahnt der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer wiederholt wegen des gleichen Verhaltens ab, verzichtet er auf die Kündigung, eben weil er durch wiederholte Abmahnungen zum Ausdruck bringen, dass er zumindest die Konsequenz einer fristlosen Kündigung nicht ziehen will. Ungeachtet dessen besteht immer das Risiko einer verhaltensbedingten Kündigung.

Eine Abmahnung verfällt nach zwei Jahren

Abmahnungen haben keine Verfallsfrist. Sie verlieren aber mit der Zeit zunehmend an Relevanz, wenn dem Arbeitnehmer keine weiteren Pflichtverstöße vorzuwerfen sind.

Man kann immer gegen eine Abmahnung klagen

Es ist das gute Recht eines Arbeitnehmers, einer Abmahnung zu widersprechen bzw. gerichtlich gegen sie vorzugehen. Voraussetzung ist aber, dass die Abmahnung ungerechtfertigt ist. Ist der Pflichtverstoß des Arbeitnehmers offensichtlich, erscheint eine Klage von vornherein als wenig aussichtsreich. Zudem trägt der Arbeitnehmer das Kostenrisiko, wenn er mit der Klage bei Gericht scheitert.

Mit einer Abmahnung steht die Kündigung unmittelbar bevor

Eine Abmahnung ist die Vorstufe zur Kündigung. Sie bedeutet aber nicht, dass die Kündigung unmittelbar bevorsteht. Eine Kündigung kommt nur in Betracht, wenn der Arbeitnehmer das beanstandete Verhalten fortsetzt oder wiederholt. Durch die Abmahnung muss er wissen, dass im Wiederholungsfall die Kündigung droht.

Fazit

Wer als Arbeitnehmer betroffen ist, sollte eine Abmahnung immer ernst nehmen. Immerhin kann die Abmahnung die Vorstufe zur Kündigung sein. Hält der Arbeitnehmer die Abmahnung für nicht gerechtfertigt und sieht in einer persönlichen Vorsprache beim Arbeitgeber wenig Sinn, sollte er sich anwaltlich beraten lassen und mit der richtigen Argumentation und möglichst unter anwaltlicher Begleitung gegen die Abmahnung vorgehen.

Das Wichtigste in Kürze

Was ist eine Abmahnung?

Der Arbeitgeber kann immer dann eine Abmahnung aussprechen, wenn der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt hat. Die Abmahnung fungiert dabei als Hinweis, Warnung oder auch Appell an den Arbeitnehmer, um ihn zur Besserung seines Verhaltens zu bewegen.

Warum wird eine Abmahnung erteilt?

Abmahnung können aus verschiedenen Gründen ausgesprochen werden. Grundsätzlich folgt sie auf eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten des Arbeitnehmers. Zu diesen Pflichten gehört dabei nicht nur die Erfüllung seiner vertraglichen Arbeitsleistung, sondern auch sogenannte Nebenpflichten, wie der pflegliche Umgang mit Arbeitsmitteln, Pünktlichkeit und ein kollegiales Miteinander.

Wie muss eine Abmahnung erfolgen?

Die Abmahnung unterliegt keinen zwingenden Formvorschriften, und kann deshalb sowohl über eine mündliche oder schriftliche Erklärung gegenüber dem Vertragspartner erfolgen. Allerdings empfiehlt es sich, die Abmahnung stets in schriftlicher Form zu übermitteln. Die Abmahnung kann einen kündigungsvorbereitenden Charakter haben und aus Gründen der Beweissicherung und Dokumentation sollten in ihr auch mögliche Zeugen für den zur Last gelegten Verstoß gegen die Vertragspflichten im Einzelnen benannt sein. 

Titelbild: fizkes/ shutterstock.com

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