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BSG: Sturz bei Glatteis-Test der Fahrbahn kein Wegeunfall

Mann bei Glatteis gestürzt

Wer im Winter vor der Arbeit die Fahrbahn auf Glatteis testen will und sich dabei verletzt, ist nicht gesetzlich unfallversichert. Dies entschied das Bundessozialgericht in einem besonders umstrittenen Urteil (Urteil v. 23.01.2018, Az.: B 2 U 3/16 R).

Das Wichtigste in Kürze

Was versteht man unter einem Wegeunfall?

Als Wegeunfall bezeichnet man Unfälle, die sich auf dem direkten Weg vom Wohnort des Arbeitnehmers zum Arbeitsplatz ereignen oder umgekehrt. Wegeunfälle stehen gem. § 8 Abs. 2 SGB VII unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Auch Unfälle bei vorbereitenden Handlungen für den Arbeitsweg können ausnahmsweise unter Versicherungsschutz stehen, wenn sie im direkten Zusammenhang zur beruflichen Tätigkeit stehen bzw. für den Antritt oder die Fortsetzung des Arbeitsweges zwingend erforderlich sind.

Wo beginnt der Wegeunfall?

Laut gängiger Rechtsprechung beginnt der Arbeitsweg beim Verlassen der Außentür des Arbeitnehmers bzw. beim Verlassen des Grundstücks des Arbeitsplatzes. Ein Unfall auf dieser Strecke ist dementsprechend als Wegeunfall einzustufen.

Sturz bei Glatteis: Wegeunfall?

Stürzen Arbeitnehmer infolge von verschneiten oder glatten Straßen auf dem direkten Weg zur Arbeit, ist dies als Wegeunfall zu bezeichnen. Anders verhält es sich jedoch, wenn Arbeitnehmer die Straße auf Glatteis prüfen, bevor sie den Arbeitsweg antreten. In diesem Fall würde laut Urteil des Bundessozialgerichts der direkte Arbeitsweg unterbrochen und der Schutz über die gesetzliche Unfallversicherung wäre nicht mehr gegeben.

Unfall auf Arbeitsweg: Wegeunfall

Der Winter ist für viele die liebste Jahreszeit. Leider hat die kalte Jahreszeit nicht nur schöne Seiten. Für Arbeitnehmer ist besonders der Gedanke an Glatteis auf dem Arbeitsweg ein Graus. Geschieht auf dem Weg zum Arbeitsplatz ein Unfall, steht dieser als „Wegeunfall“ gem.  § 8 Abs. 2 SGB VII – wie auch ein Arbeitsunfall – unter dem Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Versicherungsschutz nur auf direktem Arbeitsweg

Diese Regelung greift aber nur, wenn sich der Unfall auf dem direkten Weg zum Arbeitsplatz oder vom Arbeitsplatz nachhause ereignet hat. Der Arbeitsweg bezeichnet in diesem Zusammenhang die Strecke zwischen Außentür des Arbeitnehmers und Grundstück des Arbeitsplatzes. Wer auf dem Weg nachhause z.B. einen Abstecher zum Supermarkt macht und in einen Unfall gerät, ist nicht mehr gesetzlich unfallversichert. Der Gesetzgeber nimmt die Definition des „direkten Arbeitswegs“ dabei sehr genau – dies musste ein Arbeitnehmer aus Rheinland-Pfalz am eigenen Leib erfahren.

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Prüfung der Fahrbahn auf Glatteis: Mann stürzt

Der Mann verließ morgens auf dem Weg zur Arbeit sein Haus und erinnerte sich an eine Warnung des Deutschen Wetterdiensts vor Glatteis. Er ging zu seinem Auto auf seinem Grundstück und legte die Arbeitstasche in den Wagen. Dann betrat er die öffentliche Straße, um zu überprüfen, ob diese glatt oder problemlos befahrbar sei. Auf dem Weg zurück zum Auto knickte der Mann am Bürgersteig um und brach sich dabei den rechten Arm.

Versicherung zahlt nicht

Die gesetzliche Unfallversicherung wollte das Missgeschick des Mannes jedoch nicht als Wegeunfall anerkennen. Die Prüfung der Fahrbahnglätte sei eine „Vorbereitungshandlung“ und erfolgte somit nicht auf dem direkten Arbeitsweg. Vielmehr sei der Arbeitsweg durch die Fahrbahnbahnprüfung unterbrochen worden.

BSG: Arbeitsweg unterbrochen bei Glatteis-Prüfung

Diese Einschätzung wollte der Mann so jedoch nicht akzeptieren und klagte bis vor das Bundessozialgericht – erfolglos. Das BSG wies die Klage des Mannes ab und folgte der Begründung des Versicherungsträgers. Laut Urteil wurde der unmittelbare und damit versicherte Weg durch die Prüfung der Fahrbahn aus „eigenwirtschaftlichen Gründen“ unterbrochen.

Versicherungsschutz bei vorbereitenden Handlungen

Die Versicherung ginge, so das BSG, recht in der Annahme, dass es sich dabei um eine vorbereitende Handlung gehandelt habe, die im Regelfall dem Privatbereich zuzuordnen sind und somit nicht unter Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht.

Vorbereitungshandlungen stehen lediglich dann unter Versicherungsschutz, wenn sie in Anbetracht unvorhergesehener Hindernisse ausgeführt werden müssen, um den Arbeitsweg anzutreten oder fortzusetzen. Als unvorhergesehen gelten laut gängiger Rechtsprechung Ereignisse, die sich mit weniger als 24 Stunden Vorlaufszeit zugetragen haben. So fällt z.B. die Räumung des Arbeitswegs bei plötzlichem Schneefall in die Kategorie der versicherten Vorbereitungshandlungen, wenn andernfalls abzusehen wäre, dass der Arbeitnehmer den Arbeitsweg nicht antreten kann (BSG, Urteil v. 28.06.1988, Az.: 2 RU 14/88).

Die Prüfung der Fahrbahn auf Glatteis sei jedoch nicht zwingend erforderlich gewesen, um den Arbeitsweg antreten zu können. Zudem habe der Wetterbericht bereits im Vorhinein Glatteis angekündigt, sodass bei den vereisten Straßen nicht mehr von einem unvorhergesehen Hindernis die Rede sein kann. Somit stehe der Unfall des Mannes nicht unter Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Verfahrensgang:

Titelbild: Miriam Doerr Martin Frommherz/ shutterstock.com

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